Der Lebensraum

Es gibt zwei Dinge, die beim ersten Besuch in Alta Badia gleich ins Auge fallen.

Das erste, was sofort erkennbar wird, ist die ursprüngliche und auf drei Säulen ruhende Schönheit der Landschaft: grüne, saftige Wiesen, dichte Nadelwälder, und majestätische Bergwände aus dem Gestein, welches unsere Berge so einzigartig macht, der Dolomit. Die Sicht schweift im Osten in Richtung Conturines, einer Leinwand von Hunderten von Metern, auf der die untergehende Sonne ihren orange-roten Glanz malt; im Westen der Sassongher, dessen gezackte und scharfe Spitzen jeden Tag das erste Licht der Morgendämmerung ankündigen.

Die zweite Besonderheit, die Aufmerksamkeit erweckt, ist weniger offensichtlich, aber nicht weniger interessant. Es ist das Ladinische, die Sprache der Einheimischen. Ladinisch ist eine der drei rätoromanischen Sprachen der Welt und sie ist eine Sprache der Begegnung. Man könnte sie als lebendiges Fossil sehen, welches das Zusammenwirken zwischen zwei verschiedenen Welten bezeugt: der lateinischen, mediterranen und römischen Kultur mit der rätischen, alpinen und etruskisch-keltischen Kultur. Historische Quellen aus der Eisenzeit sprechen von unseren Dolomitentälern als Tälern der Begegnung und des Austausches. Unser Land ist seit jeher ein Berührungspunkt zwischen dem Norden und dem Süden der Alpen.

Um unsere Kultur - Vergangenheit und Gegenwart - zu verstehen, sind die beiden Elemente, Landschaft und Sprache, untrennbar. Die Landschaft bestimmt den Lebensraum, das Ökosystem, die Interaktion zwischenMenschen, Natur und Jahreszeiten. Die Sprache, so alt und doch so modern in ihrer Interkulturalität, verrät eine einzigartige Einstellung: die Veranlagung, sich mit verschiedenen Kulturen auseinanderzusetzen und sich mit ihnen auszutauschen. Gleichzeitig bewahren die Ladiner sich jedoch ihr tiefes Bewusstsein für ihre kulturellen Wurzeln. Ladinisch ist eben eine Sprache, die Wissbegier auslöst, aber nicht die Abwertung und Auflösung der eigenen Geschichte angesichts einer Neuheit zulässt.